swissTB award 2009
Dr. Wilfried Weber
Von links nach rechts: Dr. Ronald Schoenmakers, Marc Gitzinger, Prof. Martin Fussenegger, Dr. Wilfried Weber, Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel
Die Behandlung von Menschen, die an einer multiresistenten Form der Tuberkulose erkrankt sind, ist schwierig: Die üblicherweise in der Tuberkulose-Behandlung eingesetzten Medikamente sind gegen die resistenten Stämme unwirksam. Zum Einsatz kommt in solchen Fällen unter anderem das Medikament Ethionamid. Das Problem dabei: Das Medikament entwickelt in hoher Dosierung toxische Nebenwirkungen. Da das Tuberkulose-Bakterium jedoch ein Eiweiss produziert, welches verhindert, dass Ethionamid seine Wirkung entfaltet, sind hohe Dosierungen des Medikaments nötig; schwere Nebenwirkungen sind vorprogrammiert. Die Behandlung multiresistenter Tuberkulose ist ein vorrangiges Ziel der Tuberkulose-Forschung. Sie beschäftigte auch die Forscher aus dem Team von Wilfried Weber und Martin Fussenegger am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel: „Grundsätzlich gibt es zwei Alternativen in der Behandlung von multiresistenter Tuberkulose: Entweder werden laufend neue Antibiotika entwickelt, gegen die sich jedoch wieder Resistenzen bilden können; oder man versucht, die Resistenzen auszuschalten, um bestehende Medikamente wieder wirksam zu machen“, erklärt Wissenschaftler Wilfried Weber. Die Forscher entschieden sich für die zweite Möglichkeit. Ihr Ziel war es, eine Substanz zu finden, die drei Kriterien erfüllen sollte: Als erstes musste es ein Protein, das im Tuberkulose-Bakterium eine Resistenz gegen Ethionamid bewirkt, angreifen. Zum zweiten musste die Substanz für den Menschen gut verträglich sein; und zu guter Letzt musste sie noch fähig sein, überhaupt in die Zellen, in denen sich der Tuberkulose-Erreger versteckt, zu gelangen.
Um verschiedene Substanzen auf diese drei Bedingungen zu testen, arbeitete das Departement für Biosysteme eng mit dem Institut für medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich zusammen. Dort wurden im Sicherheitslabor verschiedene Substanzen an resistenten Tuberkulose-Erregern getestet. Schliesslich konnte mit 2-Phenyl-Ethylbutyrat ein Stoff gefunden werden, der alle Kriterien erfüllt und zudem bereits gut erforscht ist: Die Substanz ist ein alltäglicher Lebensmittelzusatz mit einem fruchtigen Aroma, der in zahlreichen Ländern verwendet wird. „2-Phenyl-Ethylbutyrat dringt in die Zellen ein und sorgt dafür, dass die natürliche Resistenz gegen das Medikament Ethionamid ausgeschaltet wird. Oder einfacher gesagt: Der Stoff macht das Medikament wirksamer“, erklärt Wilfried Weber. Dadurch kann das Medikament niedriger dosiert eingesetzt werden, und toxische Nebenwirkungen bleiben weitgehend aus. Doch wie hoch ist die Gefahr, dass das Tuberkulose-Bakterium auch gegen den neuen Stoff eine Resistenz entwickelt? Diese sei gering, so der Forscher Weber: „Da 2-Phenyl-Ethylbutyrat nicht in einen lebenswichtigen Prozess des Bakteriums, sondern lediglich in einen Regulationsmechanismus eingreift, ist eine Resistenzentwicklung eher unwahrscheinlich.“
Die Wirksamkeit der Kombination von Antibiotika und 2-Phenyl-Ethylbutyrat muss nun weiter untersucht und getestet werden. Doch dies kostet Geld: „Allein für die nötigen Vorversuche und den Antrag, klinische Tests am Menschen durchzuführen, entstehen Kosten von rund einer Million Schweizer Franken“, so Wilfried Weber. Mit einer Spin-Off-Firma der ETH Zürich in Basel, der BioVersys, sollen nun Investoren, beispielsweise aus der Pharmaindustrie, gesucht werden, damit weitere Studien finanziert werden können. Der von der Schweizerischen Stiftung für Tuberkuloseforschung Swiss TB verliehene Award in der Höhe von Fr. 10‘000 ist damit finanziell gesehen nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Dennoch hat er für das Forscherteam eine grosse Bedeutung, wie Wilfried Weber betont: „Die Auszeichnung verstärkt die Glaubwürdigkeit des Forschungsprojektes und hilft mit, unsere Arbeit bekannt zu machen. Damit leistet sie uns beim Vorantreiben der weiteren Forschung sehr wichtige Dienste.“
Publikation
A synthetic mammalian gene circuit reveals antituberculosis compounds.
Wilfried Weber*, Ronald Schoenmakers*, Bettina Keller*, Marc Gitzinger*, Thomas Grau†, Marie Daoud-El Baba‡, Peter Sander†§, and Martin Fussenegger*
* Department of Biosystems Science and Engineering (D-BSSE), Eidgenössische Technische Hochschule Zurich, Mattenstrasse 26, CH-4058 Basel, Switzerland; † Institute for Medical Microbiology, University of Zurich, Gloriastrasse 30/32, CH-8006 Zurich, Switzerland; ‡ Université de Lyon, F-69622 Lyon, France; § National Center for Mycobacteria, Gloriastrasse 30, CH-8006 Zurich, Switzerland